Weihnachtsfeier im Verein: Der Nikolaus

Von Bernhard Krebs

Es ist Zeit für ein Bekenntnis. Ich liebe Weihnachten. Bedingungslos. Obwohl ich schon sehr lange kein Kind mehr bin, ist es die Zeit, in der ich Kind sein darf. Ich freue mich auf den Christbaum, die Adventsmärkte, jede Menge Plätzchen und Glühwein, auf Geschenke und den Nikolaus …

…. Moment, auf den Nikolaus freue ich mich nicht. Aus gutem Grund. Ich war nämlich selbst einer, dessen Weihnachtsmann-Karriere auf unzähligen Vereins-Weihnachtsfeiern ihren Anfang und ihre Ende nahm.

Aber der Reihe nach: Keine richtige Weihnachtsfeier ohne Nikolaus. Und weil dem so war und immer noch ist, wurde in dem Verein, dem ich vor 30 Jahren angehörte, kurzerhand bestimmt: „Du, Bernhard, bist unser Nikolaus.“

Körperliche Größe und dunkle Stimme

Eigentlich war ich noch zu jung dafür, aber ich maß damals bereits knapp zwei Meter und besitze seit dem Stimmbruch eine sehr tiefe Stimme. Perfekte Voraussetzungen also um dem Nachwuchs im Verein einen gehörigen Schrecken einzujagen – und zur Belustigung der Erwachsenen den Vorstandsmitgliedern, Mannschaftsführen und Ehrenvorsitzenden die Leviten zu lesen.

Eitel darf man dabei als Nikolaus nicht sein. Und sensibel gleich zweimal nicht. Denn wenn man im meist alten, gebrauchten, stinkenden, ähm roten Gewand vor den Leuten steht, erzählt man ja nur in den seltensten Fällen eigenes Gedankengut. Im Gegenteil liest man in der Regel vor, was andere für den Nikolaus vorformuliert haben.

Dabei hat man schon Glück, wenn der Verfasser der Rede kein Deutschlehrer ist. Die sind nicht nur für die Pressearbeit problematisch, sondern verlangen als Ghostwriter dem Nikolaus häufig alles an Geduld ab, was dieser aufbieten kann. Tatsächlich selbst erlebt: Ein Jugendleiter, Lehrer im Hauptberuf, überreichte mir vor der Kinder-Weihnachtsfeier für den sportlichen Nachwuchs ein Heft – mit mindestens einer Seite Ermahnung für jedes der geschätzten 30 anwesenden Kinder und Jugendlichen.

Da kommt man als Nikolaus vor Mitternacht nicht nach Hause, so schnell man auch vorliest. Während ich also pädagogisch wertvolle Schachtelsätze zum Besten gab, haben sich meine Blicke mit denen der Kinder getroffen. Und ich wusste, die Kinder wollten genau wie ich wissen, wen mein adventliches Gelaber überhaupt interessiert.

Die Sache mit den Nikolaus-Ghostwritern

Zurück zu den Erwachsenen. Hier stehen seltener ernsthafte Ermahnungen im Vordergrund, sondern eher derbe Scherze und anzügliche Kalauer. Das ist auch nicht besser, im Gegenteil. Nicht selten haben sich hier der Schriftführer und ein paar Getreue zusammengesetzt und sich ihrem Humor und ihrer Lust am Reimen hingegeben.

Solange es sich dabei nicht um die Goethe-Gesellschaft oder einen Literatur-Verein handelt (aber die verpflichten keinen Nikolaus), wird es dann mitunter grausam. Die selbsternannten Dichter quälen vor allem den Nikolaus mit geistigen Ergüssen wie

  • „Der Hans, der kann´s!“,
  • „Der Fritz hat einen Witz!“ oder
  • „In der Wanne sitzt gern die Susanne.“

Ja, manch ein Schreiber von adventlichen Vereinsversen schreckt vor nichts zurück. Ich habe jedenfalls in meiner letzten Saison als Vereins-Nikolaus kleine Zettel gebastelt, die ich beim Betreten des Vereinsheims heimlich verteilt habe. Auf ihnen stand: „Wenn Ihr die Geschichten hört, dann verhaut doch bitte den Schriftführer und nicht den Nikolaus. Denn der hat damit nichts zu tun.“

Epilog:

Ich bin seit über zwanzig Jahren kein Nikolaus mehr. Denn wie im Sport kommt auch als Vereins-Nikolaus die Zeit, in der man einem Besseren weichen muss. Mein Nachfolger hatte mehr Geduld mit naseweisen Kindern, quittierte als Erster die selbst vorgetragenen Erwachsenen-Witze mit einem lauten Lachen – und hatte die besten Beziehungen zum örtlichen Supermarkt. Sein Sack mit Süßigkeiten und Geschenken war einfach viel voller als meiner. Und ich war deswegen nicht böse. Wenngleich ….

 

 

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