Von Bernhard Krebs
Der Bericht des Schriftführers unseres Vereins von gestern: 238 „echte“ Visits, also Besuche, mit einer Absprungrate von 65,43 Prozent und einer durchschnittlichen Verweildauer von 1 Minute und 34 Sekunden. Außerdem 456 Follower, 67 „Gefällt mir“ und 134 Kontakte, aber nur 20,18 Prozent in unserer Zielgruppe.
Das muss besser werden.
Genau. Unser Verein macht jetzt in Facebook.
Und in Twitter, Xing, Google+, LinkedIn, Instagram und … ach, was weiß ich, denn jeden Tag kommt ein neues Soziales Netzwerk dazu. Und überall müssen wir dabei sein, sagt der Vereinsvorsitzende. Und der Jugendleiter.
Weil damit nicht genug ist, füllt unser Verein neben seiner Website (haben wir, ganz fortschrittlich, seit 2012) mittlerweile zwei, nein drei Blogs mit Content (so heißen Bilder und Texte jetzt). Jeden Tag werden es mehr.
Web 2.0, Affiliate, Flash, AdWords, CPC, URL, Chat, Community, Inbound, SEM, Hashtag, Joomla, Keyword, ORM, Landingpage, PI und noch viele seltsame Begriffe und Kürzel mehr. Damit werfen die SEM- und SEO-Experten um sich, die in unserem Verein seit Kurzem das Sagen haben.
Meinem Einwand, dass das am eigentlichen Vereinszweck vorbei geht, folgte der moralische Dampfhammer: „Ihr benötigt mehr Freunde, mehr Fans und mehr Kontakte!“ Diese wiederum sollen dem Verein den Weg zum endlosen Netzwerk mit immer neuen Mitgliedern, zu ungeahnten Erfolgen und finanzkräftigen Sponsoren – und schließlich zum besseren Google-Ranking bereiten.
Oder war es umgekehrt? Nun, unser Schriftführer arbeitet daran.
Noch aber haben die anderen einfach mehr. Selbst bei Turnieren bzw. Treffen mit anderen Vereinen dreht sich alles um`s Internet und um Social Media: „Und wie viele ‚Gefällt mir‘ habt Ihr? Was, so wenig? Ihr rekrutiert noch nicht eure Mitglieder online?“
Eine jüngeres Vorstandsmitglied bietet derweil seine Hilfe an: „Einen Moment bitte, ich check das mal auf meinem Smartphone … ha, ich habe es doch geahnt, Eure Google-Sichtbarkeit ist ja katastrophal. Und die Twitter-Aktivitäten sind völlig suboptimal. Das geht gar nicht.“
Geht es doch. Was allerdings egal ist, weil unser Vorstand in zahllosen Meetings und Workshops folgende Prozessoptimierung verabschiedet hat: Während potentielle Neumitglieder über Facebook auf unsere Blogs gelotst werden, hält sich unser Trainerstab in geschlossenen XING-Gruppen gegenseitig auf dem neuesten Stand.
Parallel wird unsere Jugendabteilung auf Instagram mit einer Mobile App (irgendwann erfahre ich, was das ist) aktiv und preisen auf Twitter die Eltern unserer F-Jugend im Minutenrhythmus den Entwicklungsstand des sportlichen Nachwuchses an – zwischen den politischen Kommentaren der Kanzlerin und dem Trennungsschmerz von Paris Hilton. Das eine stört, das andere nicht.
Schon bald werden wir bei Google ganz weit oben stehen. Bravo!
Doch plötzlich meint einer: Erringen wir damit in der Tabelle einen Punkt mehr …?