Es gibt wahrscheinliche nur wenige, die noch niemals einen Pfeil auf eine Dartscheibe geworfen haben. Meist in der Kneipe oder im Büro. Aber Dart hat längst den Ruf abgelegt, ein Wirtshaussport zu sein. Im Gegenteil: Der Hype ist groß und allen voran die Weltmeisterschaften sind ein Event, das live und vor dem Fernseher unzählige Menschen begeistert.
Dart hat die Vereine längst erreicht, der nächste Schritt geht in die Schulen – wenn es nach Michael Sandner geht. Der 38jährige Sozialbetriebswirt aus Glashütten bei Bayreuth ist seit drei Jahren Vizepräsident im Bayerischen Dart Verband und dort für die DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund)-Trainerausbildung zuständig. Im Interview mit VereinsKULT gab Michael Einblicke in eine faszinierende Sportart.
Lieber Michael, wie kamst du eigentlich zum Dart?
Im Irish Pub in Garmisch-Partenkirchen. Ich verfolgte als Jugendlicher anschließend auch die Dart-Übertragungen im Fernsehen. Zuhause „spickerte“ ich auf eine alte „NODOR“ Scheibe. Mich faszinierte das Zusammenspiel von der Einfachheit drei Pfeile auf eine Scheibe zu werfen, gepaart mit der Komplexität der Genauigkeit des Wurfes. Sobald man einen Dart nur ein wenig zu früh loslässt, verfehlt er sein Ziel.
Kannst du uns noch einen kurzen Einführungskurs in Dart geben?
Gespielt wird mit 3 Pfeilen, genannt Darts. Die bestehen aus dem Körper, genannt Barrel, und dem Shaft aus Metall oder Plastik, auf den ein Flügel, der sogenannte Flight gesteckt wird. Hier gibt es unzählige verschiedene Größen und Formen, so dass sich jeder Dartspieler seinen individuellen und auf ihn abgestimmten Dart zusammenbauen kann.
Die Scheibe oder das Board hängt mit seiner Mitte (dem Bull-Eye) auf 1,73 m Höhe und in einer Entfernung von 2,37 m. Die Reihenfolge der Felder wurde 1896 vom englischen Zimmermann Brian Gamlin festgelegt und dient zur Bestrafung von Ungenauigkeit, da neben hohen Punktwerten immer niedrigere liegen.
Es gibt viele unterschiedliche Spiele. Das wohl bekannteste und in der Liga und im Fernsehen gespielte, ist 501 Double-Out – also 501 Punkte mit möglichst wenigen Aufnahmen (drei Pfeile hintereinander geworfen) genau auf 0 zu bringen und zum Abschluss einen Dart in das nur 8mm kleine und richtige Doppelfeld zu treffen.
Was kostet eine Dart-Ausstattung?
Gute Darts sind bereits ab 20 Euro erhältlich, nach oben hin sind aber kaum Grenzen gesetzt. Für ein gutes Dartboard darf man zwischen 40 und 50 Euro rechnen.
Und wenn man zuhause keinen Platz hat: Vereine gibt es in Deutschland sehr viele, in denen auch der als Sportart anerkannte Steeldart angeboten wird.
Und die Vereine sind in Verbänden organisiert?
Genau, hier gibt es Regionalverbände und Landesverbände. Der Bayerische Dart Verband ist dann wiederum Mitglied des Deutschen Dart Verbandes und dieser wiederum ein Mitglied des Deutschen Olympischen Sportbundes DOSB.
Und wie geht es dem Dartsport in Bayern?
Hier haben wir derzeit gerade in der Jugend herausragende Erfolge zu verzeichnen. Neben dem amtierenden Europameister und der Vizeeuropameisterin im Einzel sind auch die Weltmeisterin im Doppel, die Vizeweltmeisterin im Einzel sowie die Vizeweltmeister im Doppel aus Bayern. Den Ländervergleich konnte Bayern letztes Jahr bei den Senioren wie auch in der Jugend gewinnen.
Und was sind eure aktuell größten Herausforderungen?
Die größte Aufgabe wird es, die „unorganisierten“ Dartsportler an den organisierten Sport heranzuführen. Dort sind noch viele Talente verborgen und gehen auch teilweise verloren. Durch die Anerkennung des Dartsports als Schulsport im Sommer letzten Jahres kann hier ein großer Schritt in die richtige Richtung gemacht werden.
Derzeit gibt es einen regelrechten TV-Hype bei internationalen Dart-Meisterschaften. Wie kommt es, dass die Stimmung ausgelassener und lauter ist als bei einem Fußball-Derby?
Nun, die Professional Darts Cooperation (PDC) hat diese Partystimmung auch produziert und gefördert. Vergleichen wir diese Stimmung mit Ranglistenturnieren, herrscht dort eher eine gespannte, ruhige Stimmung bei den Zusehern. Durch die Musik, die Walk-On Girls etc. wird schon versucht, das Partyvolk zu animieren. Was auch funktioniert.
Welcher Dartsportler ist international warum ein Star?
Die Stars sind vollkommen unterschiedlich. Natürlich ist ein Phil Taylor aufgrund seiner unglaublichen Konstanz an der Weltspitze der Star.
Aber auch ein Wayne Mardle (Hawaii 501 wegen seines Hawaiihemdes genannt) war der erste wirklich bunte Vogel in dem Dartzirkus. Heute sind es der immer mit neuen schrillen Farben ausgestattete Peter (Snakebite) Wright, aber ebenso ein ruhig auftretender Gary Anderson oder der eher extrovertierte Michael van Gerven, die unzählige Fans hinter sich scharen.
Ein Max Hopp oder ein vorher relativ unbekannter Rene Eidams aus Deutschland überzeugen durch tolle Spiele und könnten sich im Profilager bald behaupten.
Profitieren deutsche Vereine von dieser Aufmerksamkeit?
Es gibt gerade um Weihnachten und danach sehr viele Interessierte. Die Kunst der Vereine muss es aber sein, diese Leute zu halten. Im Verein gibt es nicht diesen Zirkus, den die Profis abhalten.
Was sind die größten Vorurteile und Missverständnisse hinsichtlich Dart?
Da Dart mehr und mehr auch in Sportvereinen angeboten wird, geht auch der Ruf des „Kneipensport“ langsam weg. Natürlich sind da die Ursprünge – jedes gute englische oder irische Pub hatte in der Ecke eine Scheibe hängen, auf die man spielen konnte. Aber der Weg hin zum Ligabetrieb und zu Meisterschaften, der Weg hin zum Sport, der wurde gemacht. Ein Großteil der Turniere findet in Sporthallen statt und es gibt Kleiderordnungen. Dies wird auch mehr und mehr durch die Öffentlichkeit wahrgenommen.
Dart als Sport – welche Eigenschaften werden geschult?
In einer sehr schnellen Umwelt, in der für viele Menschen von einer WhatsApp- zur nächsten Facebook-Nachricht keine 30 Sekunden vergehen, bietet der Dartsport die Möglichkeit, sich für einen längeren Zeitraum zu konzentrieren und dadurch ruhiger und entspannter zu werden.
In einem Spiel, das sich sehr über „Konzentration und Körperhaltung“ definiert, wird nebenbei und unbemerkt das Kopfrechnen und sehr spielerisch die kompletten Grundrechenarten komplett trainiert. Es gibt Studien, dass Schüler, die Dart im Unterricht haben, in Mathe um bis zu zwei Notenstufen besser wurden.
Im Dartsport lernen die Jugendlichen und auch die Erwachsenen zudem Respekt gegenüber dem Gegner, Toleranz und Rücksicht und vor allem das Fair Play. Somit fördert der Dartsport Körperhaltung und -bewusstsein, Koordination und Konzentration, Gemeinschaft und Teamgeist sowie das Rechnen in den Grundrechenarten
Du bist ein großer Verfechter von „Dart als Schulsport“.
Der Dartsport ist prädestiniert als Schulsport, da er wie bereits erwähnt auch Rechnen und die Konzentration unterstützt. Er ist nicht altersabhängig und kann von Jungs und Mädels gleichermaßen ausgeübt und somit übergreifend angeboten werden.
Im Dartsport ist Inklusion gelebter Alltag – Menschen mit und ohne Behinderung können gemeinsam Dart spielen. Dart kann innerhalb kurzer Zeit erlernt werden. Dart ist ein Spiel, dessen Regeln und Abläufe sehr leicht und schnell zu erfassen sind. Nach kurzer Zeit merken die Schüler erste Erfolge, stärken somit ihr Selbstbewusstsein und kommen gerne erneut in die „Sportstunde am Nachmittag“.
Um Dart zu lehren, sind aber auch Trainer notwendig?
Es gibt den DOSB Trainer C Lehrgang Dart. Diese Ausbildung wird derzeit nur in Bayern angeboten, da sich der Bayerische Dart Verband „getraut“ hat, diesen Schritt zu gehen und auf die DOSB-Lizenz zu schulen.
Der erste Kurs ist gerade vorbei und Bayern hat 14 neue DOSB-Darttrainer. Neue Interessierte gibt es bereits und der nächste Ausbildungsgang ist gerade in Planung. Außerhalb Bayerns gibt es noch einen Trainer in Hessen sowie drei weitere in Rheinland-Pfalz.
Ist Dart nicht ein reiner Männersport?
Nein. Eher eine Männerdomäne. Noch, denn mehr und mehr Frauen finden zum Dartsport. Unser Damennationalteam holte im vergangenen Jahr auf der Weltmeisterschaft die Silbermedaille und musste sich nur den staken Engländerinnen geschlagen geben. Auf der Herrenseite warten wir noch auf solche Erfolge. Also ist Dart in Deutschland allein von den Erfolgen her gesehen eher ein Damensport J.
Was sind die nächsten Ziele des Bayerischen Dart Verbandes?
Der Bayerische Dart Verband wird in den nächsten Jahren viel Zeit in die Mitgliedergewinnung investieren. Die Trainerausbildung soll weiter gut angenommen werden und ein weiterer Schritt im Schulsport gegangen werden.
Das sind drei sehr große Ziele, die viel men- und auch womenpower beanspruchen werden. Mit dem Projekt „Bayern spielt Dart“, das wir Ende Frühjahr 2016 starten wollen, möchten wir auch dem „Freizeit- und Sofa-Darter“ eine Möglichkeit geben, sich mit anderen im Spiel zu messen.
Und das WICHTIGSTE: Warum sollte man Dart unbedingt im Verein spielen?
Ich kann nur jeden Sportverein in Deutschland ermuntern, in die Sparte Dartsport zu investieren. Viel zu viele Vereine trauen sich nicht, eine weitere Sportsparte ins Programm zu nehmen. Der Verein benötigt nur etwas Platz oder eine portable Dartanlage, die er in seiner Turnhalle unterbringt. Kurze Werbung unter den Vereinsmitgliedern und im Gemeindeblatt, wer Lust auf Dart hat – und schon wäre eine weitere Sparte im Verein angesiedelt.
Lieber Michael, vielen Dank für dieses Gespräch.
Eine Linkliste (im Aufbau) von bundesdeutschen Dartvereinen gibt es in der VereinsKULT-Kategorie „Vereine von A-Z“