Ehrgeizige Eltern!

Von Bernhard Krebs

Wenden wir uns heute einem Phänomen in der Jugendarbeit zu, das zum Vereinsleben gehört wie der Schläger zum Tennisspieler und die Nasenklammer zur Synchronschwimmerin. Sprechen wir also über ehrgeizige Eltern!

Dabei geht es diesmal nicht um mich. Hätte ich nämlich ehrgeizige Eltern gehabt, dann würde ich heute mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine sehr erfolgreiche Karriere als Fußball-Champion zurück blicken. Ich hätte danach mitgeholfen, 2006 die Weltmeisterschaft nach Deutschland zu holen und …. oops, Glück gehabt!

Nein, es geht um die zahlreichen Eltern, die sich über das Talent und die Erfolge ihrer Kinder definieren. Ihr Ehrgeiz treibt den Nachwuchs in der Schule an – und hört im Verein noch lange nicht auf. Ich beneide immer wieder ihre unerschütterliche Überzeugung, mit der sie die Karriere ihrer Tochter oder ihres Sohnes planen, denn für sie steht außer Frage: Hier ist der Stoff, aus dem die Vereinshelden sind. Nationalspieler, Prima Ballerina oder Erste Geige – der Phantasie der Eltern sind keine Grenzen gesetzt.

Übrigens: Wer einmal eine tobende und schimpfende Mutter am Rande eines Spielfeldes erlebt hat, der weiß, dass ehrgeizige Eltern keine Frage des Geschlechts sind.

Überhaupt können ehrgeizige Eltern vor allem auch LÄSTIG werden. Sie sind entweder selbst Trainer/Lehrer, der das eigene Kind bevorzugt, oder sie sind nie weiter als einen Meter vom Trainer anzutreffen. Je nachdem, wie dieser den talentierten Nachwuchs hofiert, wird dann geschmeichelt oder geschimpft. Ein NO GO ist ein Trainer, der gar nicht erkennt, welch ungeschliffenes Juwel er hier trainieren bzw. lehren darf.

Ehrgeizige Eltern wechseln deshalb gerne den Trainer, die Mannschaft (wahlweise Chor bzw. Orchester) und den Verein. Ihre Kinder tun es unweigerlich auch.

LÄSTIG ist es auch, wenn die besagten Mütter und Väter gerne bei Veranstaltungen den anderen die Sicht verdecken, weil sie mit Fotoapparat und Filmkamera lückenlos die Karriere ihres Kindes dokumentieren müssen. Und sie schrecken nicht davor zurück, jeden nur kleinsten Fortschritt mit frenetischem Beifall zu würdigen – und ihn bei allen anderen einzufordern.

Ich kenne eine Neunjährige, die dank ihrer ehrgeizigen Eltern felsenfest daran glaubt, am Anfang einer großen Karriere als Pianistin zu stehen. Dazu aber müsste ein Wunder geschehen.

Noch schlimmer als diejenigen, bei denen aus jeder Pore der Ehrgeiz strömt, sind die Eltern (bevorzugt Väter), die tatsächlich begabte Kinder haben – und nonchalant & stets ungefragt jedem kundtun, dass sie eben nicht ehrgeizig sind. In mir nagt derweil der Zweifel, ob sie auch mit untalentiertem Nachwuchs so großmütig wären.

Zu welcher Spezies Vater ich gehöre? Nun, ich bin wahrlich nicht ehrgeizig, was meine Kinder betrifft. Da bin ich absolut souverän und gelassen.

Allerdings sind meine beiden Söhne ohne Zweifel hoch talentiert. Wir müssen nur noch die passende Passion und den geeigneten Verein für sie finden …

… es geht schließlich um die Finanzierung meiner Rente.

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