Der 1. Vorsitzende, Teil 2: Von Fleißigen und Faulen

„Den Diktator unter den Vereinsvorsitzenden kenne ich“, war eine von mehreren E-Mails, die bei uns zum ersten Teil unserer TYPOLOGIE 1. Vereinsvorsitzender eingingen. Eine andere Stimme meinte, „den von euch beschriebenen Freund habe ich gefressen“, während sich jemand andersüber „unsere dumme Vorsitzenden-Marionette ohne Rückgrat“ beklagte. Und etliche weitere VereinsKULT-Leser kennen noch mehr Typen, von denen wir uns im zweiten Teil neben dem STAR und dem TEAMPLAYER auch die Fleißigen, sprich Kümmerer und die Faulen genauer anschauen.

Und auch hier gilt: Der Erfolg eines Vereins hängt (seltsamerweise) nicht unbedingt davon ab, wie viel Zeit und Mühen der 1. Vorsitzende investiert. Tatsächlich kann ein Kümmerer den Verein ins Verderben treiben und ein Fauler den Arbeitern im Verein den nötigen Freiraum für den Erfolg gewähren.

Natürlich versteht es sich von selbst, dass auch die folgenden Typen sowohl bei weiblichen als auch männlichen Vorsitzenden anzutreffen sind – unabhängig vom Alter oder Vereinszweck.

Der Star: Zum Glück habt Ihr mich

Franz Beckenbauer ist einer. Der Star (wahlweise auch Kaiser, Legende oder Lichtgestalt genannt) des FC Bayern München war von 1994 bis 2009 Präsident des Vereins – alle Mitglieder, Fans und nicht zuletzt er selbst sind ohne Zweifel der Meinung: „Zum Glück haben wir ihn.“

Der Star drängt nicht unbedingt von selbst in den Vordergrund, er lässt sich aber auch nicht allzu lange (ein wenig Bescheidenheit muss sein!) bitten. Schließlich hat er ein fast naturgegebenes Recht, 1. Vorsitzender zu sein, weil er

  • in der Kerndisziplin des Vereins einmal DER Star gewesen ist und seitdem keiner mehr an seine Erfolge heranreichen konnte.
  • in einem anderen Bereich, bevorzugt Politik oder Wirtschaft, höchste Reputation besitzt und dies der Verein auch nutzen möchte.

Der erfahrene Star-Vorsitzende wird sich bei Gruppenfotos immer in die zweite Reihe stellen. Und die Umstehenden werden ihn immer nach vorne drängen.

WICHTIG: Ohne eine der beiden Voraussetzungen wird man kein Star. Wer selbst nach vorne drängt und den Vereinsvorsitz dominant gestaltet, der wird bestenfalls ein Diktator (siehe Typologie, Teil 1). Gemein ist beiden Typen, dass sie gute Leute, insbesondere einen kompetenten und loyalen Kassier in der Vorstandschaft benötigen. Ansonsten ist ihre Haltbarkeitsdauer als 1. Vorsitzender sehr begrenzt.

Der Kümmerer: Ich mach´ das schon

Er ist fleißig. Unbändig fleißig. Und es gibt keine Vereinsangelegenheit, dererer sich nicht persönlich annimmt. Das kann soweit führen, dass der 1. Vorsitzende schon dabei beobachtet wurden, wie sie Instrumente putzten, den Fußballrasen gossen oder bei Hochzeiten von Vereinsmitgliedern als Trauzeugen agierten.

Je nach Verein, wissen dies die Mitglieder zu schätzen – oder aber auch nicht. Vor allem ein selbstständiger Organisationsleiter wird dauerhaft Probleme mit dem Kümmerer bekommen. Abgesehen davon steuert ein von diesem Typus geführter Verein in gefährliche Gefilde, in denen kein Vorstandsmitglied mehr etwas tut. Ein Ausfall des 1. Vorsitzenden hat dann mitunter dramatische Folgen …

Der Teamplayer und sein Team

Meist in Mischformen mit „Freund“ und „Kümmerer“ in den Vereinen anzutreffen. Getreu dem Berti Vogts-Zitat Motto „Der Star ist die Mannschaft“ wird dieser 1. Vorsitzende bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinweisen, welch tolles Team doch die Vorstandschaft sei und dass er nur seinen bescheidenen Beitrag zum Vereinserfolg beitrage. Öffentliche Versammlungen und Veranstaltungen wird er dazu nutzen, vom 2. Vorsitzenden bis zum Schriftführer jeden ausgiebig zu loben – und freilich intensiv den Teamgeist zu beschwören.

Generell ist dieser Vereins-Chef so verkehrt nicht, er hat unter Umständen nur zwei Nachteile:

  • Diese ewigen Teamgeist-Parolen und die zur Schau gestellte Bescheidenheit beginnen auf Dauer zu nerven.
  • Gar nicht so selten bedeutet der Teamgeist auch viel Arbeit für das Team – was gerade Beisitzer, die sich auf eine gemütliche Amtsperiode eingerichtet hatten, plötzlich an ihre Belastungsgrenzen bringt.

Der Faule: Nicht automatisch ein schlechter 1. Vorsitzender

Zugegeben: „Unser 1. Vorsitzender macht zu wenig!“, ist ein sehr häufig gebrauchter, nichtsdestotrotz meist haltloser Vorwurf. Er gehört in die Banal-Kategorie von „Alle Politiker sind Verbrecher!“, „Die Zeitung lügt!“, „Alle Lehrer sind … und alle Beamten auch.“ oder ähnlichem. Über den Chef zu schimpfen, hat durchaus seine reinigenden Aspekte – und ist in Unternehmen wie in Vereinen anzutreffen.

Dennoch: Es gibt mehr Faule unter den 1. Vorsitzenden als vielleicht erwartet. Und deren Vereine leben, viele sogar sehr gut. Der Hintergrund liegt vielleicht darin, dass häufig die MACHER in den Vereinen ungern im Vordergrund stehen und/oder sich gerne vor nötigen Entscheidungen drücken. Für sie ist der FAULE der perfekte 1. Vorsitzende, weil er die Vorstandsmitglieder nicht am Arbeiten hindert.

Kennt Ihr noch weitere Typen des 1. Vereinsvorsitzenden? Dann verratet sie uns doch entweder über die Kommentar-Funktion oder einfach per eMail an blog@vereinskult.de.

 

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